Puppenspiele mit sinnerfüllten Bildern unterstützen die Entwicklung unserer Kinder positiv. Bilder sind aus unserer heutigen Welt nicht mehr wegzudenken. Wir alle werden jeden Tag regelrecht überflutet von Bildern und Sinneseindrücken. Kinder nehmen Bilder auf, um sich seelisch damit zu ernähren. Es fällt auf, dass Kinder es immer schwerer haben, sich in Ruhe und Ausdauer auf etwas einzulassen, im Inneren eigene Bilder zu erstellen, selbstständig tätig zu sein und ins Spielen zu kommen.
Den Kindern fehlen Bilder mit denen sie etwas anfangen können, Bilder aus dem Leben, tätige und durchschaubare Vorbilder, die der Nachahmung lohnenswert sind. Unsere Kinder sind in der alltäglichen Hektik all den fiktiven und karikaturhaften Bildern der Medien ausgesetzt. Diese Angriffe auf die Seelen der Kinder verursachen unter anderem Unruhe, Verhärtung, Gefühlsarmut und Egoismus im negativen Sinn.
Wo gibt es heute noch Schutzräume, die unsere Kinder kräftigen und stark machen für die Zukunft, ihre Phantasie anregen und sogar therapeutisch wirken können? Rudolf Steiner macht uns darauf aufmerksam, dass Puppenspiele für Kinder “Heilmittel“ sind, weil sie „heraufholen, was verschüttet und verzerrt ist und sie wieder an Urbilder anschließt“. Kinder tragen eine unbewusste Sehnsucht nach Märchenbildern in sich, die ihnen eine Art Rückschau auf die geistige Welt, aus der sie kommen, aber gleichzeitig ein Vorausblicken auf die Entwicklungsmöglichkeiten ihres Lebens sein können. Märchen sind keine erfundenen Geschichten. Sie kommen aus dem Mythenbereich und beschreiben bildhaft mehr als nur menschliche Schicksale. Sie berichten von tiefliegenden, den Menschen allgemein betreffenden seelischen und geistigen Zuständen. Das Kind versteht diese Bildersprache. Es fühlt sich erinnert an die Welt aus der es gekommen ist und gewinnt daraus Sicherheit, Mut und Freude am Dasein. Gehen Kinder und Erwachsene in das Puppenspiel, so kommen sie aus dem Alltag in eine andere Welt. Sie tauchen ein in das Spielgeschehen und leben innerlich aktiv mit was die Spielfiguren erleben. Das Kind wird ruhig, verbindet und identifiziert sich mit dem Spielgeschehen und übt nachahmend eigenes Mensch-Werden.
In den ersten Lebensjahren bis ins Schulalter hinein sind Kinder in ihrer bildsamsten Lebensphase. In dieser Zeit brauchen sie Vorbilder, die sie nachahmen können, die ihnen immer wieder vormachen, wie es ist, selbst etwas in die Hand zu nehmen, zu verwandeln und zu gestalten. „Kreativität“, so heißt es bei Kant, „will nicht belehrt, sondern muss geübt sein“. Kinder und Erwachsene können das üben. Der Erwachsene muss selbst beweglich sein, damit auch die Kinder in Bewegung kommen können, nicht nur durch äußerliches Handeln, sondern auch innerlich.
Schon seit 1976 gibt es Puppenspiele an unserer Schule auf improvisierten Bühnen, eingerichtet und gespielt von Elterngruppen. Etwas später wurde eine feste Marionettenbühne im Nebenraum eines Klassenzimmers eingebaut. Es folgten Puppenspielertagungen zur Anregung der Puppenspieler und der Bau der mobilen “Blauen Marionettenbühne“. Daneben gibt es seit vielen Jahren die Tischpuppenspiele, eingerichtet und gespielt von den Erzieherinnen unseres Kindergartens in der Kantstraße. So leben seit über 40 Jahren Puppenspiele an unserer Schule, die regelmäßig im Winterhalbjahr, an den Puppenspielwochenenden, für Schul-und Kindergartenkinder aufgeführt werden. Sie kommen alleine, sehr oft aber begleitet von den Eltern zu unseren Spielen. Längst kommen schon die Großeltern mit ihren Enkelkindern, um die Puppenspiele noch einmal erleben zu dürfen. Wir alle fühlen uns bereichert von den Geschichten des Helden, der einen unbekannten, gefahrvollen und beschwerlichen Weg gehen muss, aber am Ziel ein neues Königtum findet. Puppenspiele helfen uns ein Organ für die Wahrheit zu bilden, für das, was gut ist und böse, was gerecht und ungerecht, was wesentlich ist.
Das Wesentliche finden wir alle auch in der Kaffeestube, die die Eltern unseres Kindergartens zu unseren Puppenspielwochenenden liebevoll einrichten, um Begegnungen stattfinden zu lassen. Begegnungen, die uns seit einem Jahr so sehr fehlen, Begegnungen, die unsere Kinder so spannend finden, weil hier wirkliches Leben erlebbar wird.
Martina Jund
Waldorferzieherin